INTERVIEW

GELENKSCHMERZEN UND ARTHROSE GANZHEITLICH BEHANDELN - TEIL 2

FRÜHWARNZEICHEN UND PRÄVENTION

Angesichts der hohen Zahl Betroffener: Wie kann eine beginnende Arthrose erkannt werden, auf welche Frühwarnzeichen können unsere Leser achten?

PROF. DR. ANDREAS MICHALSEN:

Natürlich sind Schmerzen immer ein frühes Warnzeichen einer Entzündung und auch einer Arthrose. Auch eine beginnende Einschränkung der Beweglichkeit des Gelenkes kann ein Indikator sein. Dann sind natürlich die diagnostischen Methoden des Röntgens, MRT und Ultraschall wichtig.

Auf der anderen Seite ist es wichtig, bei ersten Zeichen einer Arthrose darauf zu achten, dass man beim Sport nicht zu einseitige Bewegungen macht. So ist z.B. zwei Stunden Radfahren sicherlich ein gutes Herzkreislauftraining, aber eine sehr monotone Belastung für das Gelenk. Besser ist es, alle Bewegungsmöglichkeiten des Gelenkes auszunutzen und z.B. durch Physiotherapie, Yoga und Dehnung den ganzen Spielraum des Gelenkes zu beüben.

Welche Hinweise zur Früherkennung können Sie unseren Lesern mitgeben, Herr Dr. Matejka?

DR. MED. RAINER MATEJKA:

Ein einfacher Hinweis ist der Anlaufschmerz, der sich nach wenigen Minuten der Bewegung bessert. Besteht eine Arthrose schon länger und das betreffende Gelenk wird anhaltend überlastet, kann es auch zu einer aktivierten Arthrose kommen, die dann mit entzündlicher Schwellung einhergehen kann. Dieses Phänomen zeigt sich öfter v.a. im Bereich des Kniegelenkes.

Und wie kann das Arthroserisiko gesenkt werden? Was kann der Leser im Alltag vorbeugend tun?

DR. MED. RAINER MATEJKA:

Eine gute Vorbeugung ist das Auftrainieren der Muskulatur, wodurch die Gelenke quasi eine natürliche Bandage erhalten, dazu das Beseitigen eventuell vorhandener statischer Fehlstellungen und natürlich die WHO-Kriterien: auf normales Körpergewicht achten, kein ständiger Verzehr von rotem Fleisch und regelmäßige Bewegung wie Laufen oder Schwimmen.

Sogenannte „Stop-and-Go“- Sportarten wie Tennis oder Fußball sollten bei Arthroseneigung dagegen eher vermieden werden. Auch Bergwanderungen mit steilen Abstiegen sind ungünstig.

PROF. DR. ANDREAS MICHALSEN:

Ich denke grundsätzlich sind die zwei wichtigsten Präventionsmaßnahmen eine gesunde, vollwertige und möglichst pflanzenbasierte Ernährung - dadurch auch Erzielen eines normalen Gewichtes - und viel abwechslungsreiche Bewegung in den Alltag zu integrieren.

KRITISCHER BLICK AUF SCHULMEDIZIN & LEITLINIEN

Im Falle einer schmerzhaften Arthrose empfehlen die aktuellen Leitlinien der Deutschen Ärztegesellschaft für Rheumatologie diverse Therapien.

Herr Prof. Michalsen, was vermissen Sie darin und welchen Stellenwert hat die Naturheilkunde in den aktuellen Leitlinien?

PROF. DR. ANDREAS MICHALSEN:

Die Leitlinien sind naturgemäß sehr konservativ und strikt evidenzbasiert. Das hat ungünstiger Weise zur Folge, dass Verfahren, bei denen aufgrund mangelnder finanzieller Fördermittel nicht viele Studien gemacht werden können, regelhaft zu kurz kommen.

Auch wird oftmals Physiotherapie oder Ernährung kurz benannt, aber in der Praxis bekommen diese Methoden dann keinen angemessenen Raum. Insofern ist es nicht verwunderlich, dass in den Leitlinien überwiegend Schmerzmittel, chemische Entzündungshemmer und Operationen genannt werden. Zunehmend auch die sogenannten TNF-alpha-Blocker, auch als monoklonale Antikörper oder „Biologika“ bezeichnet.

Es findet aber schon langsam ein Umdenken statt. Auch mit der Deutschen Gesellschaft für Naturheilkunde sind wir dabei, die Aufmerksamkeit für Naturheilverfahren bei der Abfassung der Leitlinien zu stärken.

UNSERE EMPFEHLUNG FÜR IHREN AUFENTHALT BEI RÜCKEN- UND GELENKBESCHWERDEN

EMPFEHLUNG ZUM AUFENTHALT

Ein Aufenthalt in der Klinik von Weckbecker ist ab 7 Nächten möglich.

Für Gäste mit dem Fokus auf Prävention und Minimierung individueller Risikofaktoren sind von den Klinikärzten Buchungen ab 10 Nächten empfohlen.

Bei akuten und chronischen Beschwerden sollte der Aufenthalt mindestens 14 Nächte umfassen.

Gerne beraten unsere Experten Sie auch telefonisch unter 09741 830 zu Ihrer optimalen Aufenthaltsdauer.


Zu den Arrangements

 

STATIONÄRE VERSUS AMBULANTE THERAPIE

Welche therapeutischen Möglichkeiten setzen Sie in Ihrer Abteilung im Immanuel-Krankenhaus Berlin ein?

Welche Vorteile sehen Sie in der stationären, integrativen Behandlung?

PROF. DR. ANDREAS MICHALSEN:

Die stationäre Behandlung im Bereich der integrativen Medizin ist enorm wirksam. Wir können hier verschiedene Verfahren synergistisch miteinander verbinden. Dadurch addiert sich nicht nur die Wirkung, sondern wie es heißt: „Das Ganze ist mehr als die Summe seiner Teile“.

Das bedeutet konkret: Die meisten Patienten bei uns fasten oder haben eine kalorische Restriktion als Ernährungstherapie und beim Kostaufbau dann eine pflanzenbasierte Kost. Dies wird mit Kälte- / Wärmetherapien z.B. Kältekammer, Hyperthermie, Kneipp-Anwendungen, sowie mit intensiver Physiotherapie, speziellen Massagen und manuellen Therapien verbunden.

Hinzu kommt Stressreduktion durch Mind-Body-Medizin und spezielle ärztliche Verfahren wie Blutegeltherapie, Akupunktur oder auch Ayurveda-Behandlungen.

Bei einer stationären Therapie können wir das Ganze zudem individuell abstimmen, sodass der größtmögliche Wirkungsgrad erzielt wird.

Wie wird der Arthrose-Patient in der Malteser Klinik von Weckbecker behandelt?

DR. MED. RAINER MATEJKA:

Unsere Arthrose-Patienten erhalten die vorher erwähnte notwendige Stoffwechselentlastung, in der Regel durch eine Fastentherapie über einen längeren Zeitraum mit anschließender antientzündlicher Ernährungsumstellung und moderate Bewegung als Basis. Dazu werden weitere Verfahren der Erfahrungsmedizin kombiniert, etwa der Neuraltherapie nach Huneke (eine Injektionstherapie im Bereich der Gelenkkapsel mit Lokalanästhetika, meist in Kombination mit speziellen auch in der Sportmedizin bekannten naturheilkundlichen Präparaten) oder Akupunkt-Massage nach Penzel.

Zusätzlich sind gezielte manuelle Therapien und Kneippgüsse hilfreich. Mit einer solchen kombinierten Therapie erreichen wir oft mehr, als laut offizieller Lehrmeinung zu erwarten wäre.

STUDIEN UND ARTHROSE

Herr Prof. Michalsen, welche Studien zeigen, dass naturheilkundliche Anwendungen bei Arthrose zum Erfolg führen?

Welche Studien wünschen Sie sich?

PROF. DR. ANDREAS MICHALSEN:

Die Studienlage ist generell besser als oftmals gedacht wird. So haben wir zur Rheumatoiden Arthritis inzwischen fünf Studien, die die gute Wirksamkeit des Fastens belegen, aber auch Studien zur mediterranen und zur pflanzlichen Ernährung.

Auch zu Arthrose gibt es erste Studien, die auf eine Wirksamkeit der naturheilkundlichen Anwendungen hinweisen. Gerade für den Bereich der schmerzhaften Arthrosen haben wir Daten aus hochwertigen Studien zur Wirksamkeit der Blutegeltherapie, Akupunktur, der Ayurveda-Therapie oder auch des Schröpfens. Schröpfen, Nadelreizmatte oder Bindegewebsmassagen sind zudem nachgewiesenermaßen wirksam bei Rückenschmerzen, Nackenschmerzen und anderweitigen muskulären, schmerzhaften Verspannungen.

Wünschenswert wären natürlich direkte Vergleichsstudien mit der konventionellen Therapie. Wir sind uns relativ sicher, dass eine integrative Behandlung einer rein konventionellen Behandlung überlegen ist. Aber natürlich muss dies in Studien belegt werden.

Herr Dr. Matejka, wie schätzen Sie die Studienlage zur Fasten- und Ernährungstherapie der Arthrose ein?

DR. MED. RAINER MATEJKA:

Schon 1990 zeigte eine gut gemachte norwegische Studie, dass Fasten und anschließende vegane Ernährung rheumatische Entzündungen, Gelenkschmerzen und Steifheit nachhaltig bessern und den Bedarf an stark wirksamen Arzneimitteln reduzieren kann. Entsprechend dieser Erkenntnisse haben wir die Ernährungstherapie in der Malteser Klinik von Weckbecker ausgerichtet.

GRENZEN DER MEDIZIN

Wo sehen Sie die Grenzen der sog. Schulmedizin und wann sind die Grenzen der Naturheilkunde erreicht?

PROF. DR. ANDREAS MICHALSEN:

Die sogenannte Schulmedizin hat herausragende Fortschritte in den letzten Jahrzehnten erzielt. Gerade die Operationstechniken sind präzise und schonend geworden, genauso wie die Narkoseverfahren inzwischen sicherer sind als noch vor Jahrzehnten.

Auch im Bereich der medikamentösen Therapie entzündlich rheumatischer Erkrankungen hat sich einiges getan, so kann die Rheumatoide Arthritis heute mit den sogenannten Biologika in der Regel ganz gut kontrolliert werden. Diese sehr teuren Biologika heilen nicht die Erkrankungen, aber die Beschwerden werden bei vielen Patienten sehr segensreich gelindert.

Auf der anderen Seite führt die zunehmende Spezialisierung der Schulmedizin, der Tunnelblick, dazu, dass die ganzheitliche Sicht auf chronische Beschwerden mehr und mehr fehlt. So haben Patienten nicht selten sechs bis zehn Diagnosen und zwanzig Tabletten, und kaum einer der behandelnden Ärzte weiß, wie sich seine Therapie auf die anderen Erkrankungen auswirkt. Ebenso wurden die Möglichkeiten der nicht-pharmakologischen Therapie, der physikalischen Therapien und der Lebensstil-Medizin sträflich vernachlässigt. Das ist eindeutig die Domäne der Naturheilkunde.

Diese können bei fast allen chronischen Erkrankungen und vor allem bei multimorbiden Krankheitszuständen sehr erfolgreich eingesetzt werden.

Naturheilkunde kommt meist an die Grenze, wenn der Erkrankungszustand sehr weit fortgeschritten ist oder wenn es sich um eine akute Erkrankung handelt. Selbstverständlich wird ein Herzinfarkt oder eine akute Blinddarmentzündung nicht mit Naturheilkunde behandelt.

Wo sehen Sie die Grenzen der Naturheilkunde, Herr Dr. Matejka?

DR. MED. RAINER MATEJKA:

Die Grenzen der Naturheilkunde sind immer dann erreicht, wenn Selbstheilung nicht mehr möglich ist. Weit fortgeschrittene Erkrankung und hohes Alter sind zum Beispiel limitierende Faktoren und natürlich der akute medizinische Notfall.

Dagegen bestehen die Grenzen der Schulmedizin vor allem darin, daß sie oft nur symptomatisch - etwa unter längerfristigem Einsatz von Schmerzmitteln oder Operation - eine arthrotische Problematik angeht. Die Umstellung der Lebensweise mit gesünderer Ernährung, das Lösen chronischer Verspannungen und mehr Bewegung kommen dagegen noch immer zu kurz.

Und: Das Thema Arthrose wird nach meiner Einschätzung viel zu lokalistisch und zu wenig systemisch betrachtet. Auch die Psyche spielt eine enorme Rolle im komplexen Geschehen, gerade beim Leitsymptom Rückenschmerz.

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